Reisebericht

Antarktis MS Hanseatic 2007 / 2008 / 2010

Briefe von Bord
9. Januar 2008
Position 6.00 Uhr
51 Grad 23.49 süd, 61 Grad 23.74 west
Sonnenaufgang 5. 59, Untergang 20. 35
sonnig • 7 °C • Wind 3-4 BF

Ein wunderschöner Morgen auf See. Erich Gysling und ich drehen unsere morgendlichen Runden auf Deck, begleitet von rabengrossen dunklen Sturmvögeln, die so nahe vorbei fliegen, dass man die beiden Röhren am Oberschnabel gut sehen kann, die der Salzabscheidung dienen und einer grossen Vogelgruppe den Namen Röhrennasen gab. Schwarzbrauenalbatrosse und ein einzelner Wanderalbatross mit 3,6 m Flügelspannweite segeln im Heck ohne einen Flügelschlag. Wie immer liegten ein ausführliches Tagesprogramm mit geographischen, geschichtlichen, biologischen Informationen und Reiseinformationen sowie die Kurzausgaben der Zeitungen «Die Welt» und Schweizer Nachrichten unter der Kabinentür.

Nach dem wahrlich opulenten Frühstück, an dem die Vorhaben des Tages mit dem Expeditionsführer und den Lektoren noch einmal besprochen werden, rasselt die Ankerkette. Das ist das Zeichen für die Lektoren, sich seefest mit Gummistiefeln, Wasserhose und Schwimmweste am sidegate zu versammeln. Abmelden mit der Plastikkarte am Computer ist Pflicht und das Zodiac bringt uns zur ersten Anlandung auf die Insel New Island im Falkland Archipel. Zwei freundliche Philipinos der crew sichern das Bootsbesteigen mit festem Unterarmgriff . Sofort muss man den angewiesenen Platz einnehmen und mit rauschender Fahr wird die Hanseaticflagge am Strand angesteuert, mit der das scoutboot den Landeplatz signalisiert. Mit wenig Schwell läuft das Boot aufs Land und mit noch ein wenig ungelenkem Schwung geht es durch das knöcheltiefe Wasser auf den blendend weissen Sandstrand.

Kelpgänse mit ihren braun-gesprenkelten Weibchen und blendend weissen Gantern, Austernfischer und Schopfenten zeigen kaum Scheu und trinken aus einem kleinen Süsswasserrinnsal, das von der Strandhafer bewachsenen Düne ins Meer fliesst. Ein kurzer Marsch bringt uns zum ersten atemberaubenden Tiererlebnis dieser Reise. In mehreren Kolonien nisten Königsscharben, Felsenpinguine und Schwarzbrauenalbatrosse zu Tausenden an steil ins Meer abfallenden terassierten Felsklippen. Die Felsenpinguine mit ihren pittoresken goldgelben Schöpfen der verlängerten Kopffedern haben ihre drei Wochen alten schwarz-flaumigen Jungen in Kindergärten zusammengefasst, da für diese heisshungrige Brut beide Eltern Futter beschaffen müssen, was viele Tauchgänge nach Krill, Fischchen, Tintenfische und den beschwerlichen Weg vom Meer zu den Jungen hoch in den Felsen bedeutet. Sie lassen sich von einer Brandungswelle an Land spülen, springen aus dem Gischt und hüpfen die Felsen hinauf, ihrem engl. Namen rockhopper penguin alle Ehre machend. Elegant sitzen die Schwarzbrauenalbatrosse auf ihren Napfnestern, die sie aus Lehm und Speichel gebaut haben und die an Flamingonester erinnern. Ich habe kaum je solch entzückende Kücken gesehen, die unter dem hudernden Elternteil hervorgucken oder allein stolz im Nest trohnen. Streit mit ungeheurem Stimmaufwand und Beschwichtigung, Gefiederpflege, Kückenfütterung und Brutablösungszeremonielle halten uns in Atem. Bei den Königskormoranen geht es noch hektischer zu. Zwei Junge in jedem Nest betteln lautstark, es scheint ein ständiger lärmiger von Schnabelhieben unterstützter Streit zu herrschen. Nistmaterial wird umhergetragen, von Nachbarnestern gestohlen und wiedererobert. Über allem kreisen die seltenen Karakaras, bussardgrosse Greifvögel der Falklandinseln. Zwei Truthahngeier im Kompanieflug erbeuten einen jungen Albatross.

Viel zu schnell vergeht die Zeit, man kann sich kaum von dem Spektakel trennen. Aber wir müssen zurück an Bord – Anker auf – und wir verholen nach Carcass island zur zweiten Anlandung in der Seeleopardenbucht. Die Insel gehört der Familie Mc Gill, bei denen wir bei Tee und Coockies die Wanderung über die an Schottlands Hochweiden erinnernde Insel beenden. In den Kurzgraswiesen, mit Krähenbeerenpolstern und kleinblütigen Stiefmütterchen stehen Mangellangänse mit 3-4 Jungen. Meterhohe Tussockgrasbulten säumen den Pfad. In Höhlen unter den Tussockbüschen brüten Magellanpinguine und scheue Jungvögel halten am Höhleneingang nach Karakaras Ausschau. Die Hochmoorwiesen sind übersät mit grauweissen Kotwürstchen der Gänse, überall Eireste und Federn an richtigen Mauserplätzen.

Zurück an Bord ruft das allabendliche recap in gemütlicher Runde, in dem die Lektoren den Tag noch einmal vorbeiziehen lassen und Fragen beantworten. Erich Gysling moderiert und informiert über die Falkländer, Geschichte und den Krieg mit Argentinien um ihre Malvinas Inseln. Das Sinken der Nacht, wenn Meer und Horizont blauschwarz zusammenschmelzen, geniesse ich mit einem Glas Port in der Observation Lounge.
Eisberg
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